TRANSLATION OF "A CONCERT NEAR DARMSTADT" PROGRAMME NOTE
Die Instrumentalmusik Georg Philipp Telemanns wurde zu seinen Lebzeiten generell viel gespielt und erfreute sich großer Bewunderung; dies galt besonders für den Hof der Landgrafen von Hessen-Darmstadt, Ernst Ludwig (1667-1739) und Ludwig VIII. (1691-1768). In den Jahren nach 1712, als Telemann städtischer Musikdirektor im nahen Frankfurt geworden war, führte die Hofkapelle hunderte seiner Konzerte und Suiten auf, mehr noch in den 1720er und 1730er Jahren, als der Komponist einen vergleichbaren Posten in Hamburg bekleidete. Dies beruhte auch auf engen und dauerhaften Beziehungen Telemanns zum Darmstädter Hof: Im Jahr 1716 dirigierte er selbst die Hofkapelle in Frankfurt, und noch in der Mitte der 1760er Jahre überließ der über achtzigjährige Komponist dem Landgrafen Abschriften seiner Orchestersuiten. Das Telemann-Repertoire der Hofkapelle ist in nicht weniger als 350 Handschriften überliefert, viele davon vom Kapellmeister Christoph Graupner und seinem langjährigen Kollegen Johann Samuel Endler kopiert. Aber dieser beträchtliche Bestand muss ursprünglich noch größer gewesen sein, da der Holzbläser Johann Michael Böhm (der später Telemanns Schwager wurde) 1729 den Hof mit einer großen Menge "Telemann-Sachen" verließ - Handschriften, die seitdem spurlos verschwunden sind.
Alle vier hier eingespielten Trios für Querflöte, Gambe und Continuo sind in Darmstädter Handschriften erhalten; drei davon sind überhaupt nur hier überliefert. Möglicherweise wurden diese Trios in D-Dur, G-moll und A-moll (TWV 42:F5, g7 und a7) daher sogar für Musiker der Hofkapelle komponiert, etwa für Böhm und den berühmten Gambisten Ernst Christian Hesse, dessen Dienst am Darmstädter Hof sich auch auf Stellungen als Kriegsminister, Außenminister und Kapellmeister erstreckte.
Die langsamen Einleitungssätze aller drei Trios – wie auch die dritten Sätze des G-Dur- und A-Dur-Trios – sind in dem 'singenden' Stil, der Telemanns Sonatenstil weithin prägt. Kurzatmige Phrasen, weitausgreifende Melodien, Seufzerfiguren und affektgeladene Pausen erzeugen eine zarte und bisweilen wehmütige Stimmung; Sätze wie diese mögen Telemanns engen Hamburger Kollegen Johann Adolph Scheibe dazu veranlasst haben, das einleitende Adagio eines Telemann-Trios als "angenehm und lieblich, oder von einer rührenden Ernsthaftigkeit" zu beschreiben; die daraus resultierende Anmut "muß uns immer auf neue Art einnehmen, und uns, so lange der Satz dauert, in einer ununterbrochenen Aufmerksamkeit erhalten". Die schnellen Sätze der Telemann'schen Trios sind dagegen oft als Fugen komponiert, hier zu sehen in den zweiten Sätzen des G-moll- und A-moll-Trios sowie im Finale des letzteren. In allen entsprechenden Sätzen sind alle drei Stimmen durchgängig am imitativen Kontrapunkt beteiligt. Nur das F-Dur-Trio enthält keinerlei fugierte Elemente: Hier wechseln sich im extrovertierten zweiten Satz Querflöte und Gambe mit energischen Figurationen ab, während die Gambe die abschließende Giga rhythmisch-motorisch dominiert. Auch der Einleitungssatz des G-moll-Trios beruht auf einer Tanzvorlage, hier eine ausdrucksstarke Siciliana, deren Stilisierung die pastoralen Ursprünge des Typs kaum noch erkennen lässt.
Das vierte Werk auf unserem Programm erschien auch als Eigenpublikationen Telemanns; der Komponist hatte in den 1720er und 1730er Jahren eine bis dahin ungekannte publizistische Aktivität entfaltet, mit ambitionierten Reihen von Instrumental- und Vokalwerken. Musik zu publizieren war in Deutschland im frühen 18. Jahrhundert keine einfache Sache – nur wenige Stecher und Buchhändler hatten die Zeit oder das Wissen, um Musik zu drucken. Telemann nahm die Sache kurz nach seinem Umzug nach Hamburg also selbst in die Hand: Er stach die Kupfer- oder Zinnplatten, er vermarktete die fertigen Produkte und organisierte ein umfangreiches Netzwerk von Vertriebsagenten, um sicher zu stellen, das seine über 40 Publikationen ein möglichst breites europäisches Publikum erreichten.
Das H-moll-Trio für Querflöte, Gambe und Continuo (TWV 42:h4) erschien als sechstes Trio in Telemanns Essercizii musici ('Musikalische Übungen', Hamburg, um 1726-28), einer Sammlung von zwölf Solos und zwölf Trios für unterschiedliche Kombinationen von Instrumenten (Blockflöte, Querflöte, Oboe, Violine, Gambe und Cembalo) mit Continuo-Begleitung. Erneut prägt der 'singende' Stil die langsamen Sätze und der zweite Satz ist fugiert. Diese Fuge aber (ebenso wie das Finale) basiert auf zwei gleichzeitig erklingenden Themen und kontrastierenden Episoden mit virtuosen Figurationen in Querflöte und Gambe – ein konzertantes Hybrid von Fuge und Ritornellform, das Telemann in seinen reifen Sonaten gerne einsetzte.
Eine etwas spätere Publikation (die Six concerts et six suites, Hamburg 1734) überliefert die Trios in D-Dur, A-Dur und D-moll für Querflöte und obligates Cembalo (TWV 42:D6, A3, d3), deren Form größer disponiert ist als die der Trios für Querflöte und Gambe. Die Gegenüberstellung von Konzerten und Suiten weist auf Johann Sebastian Bachs zweiten Teil der Clavier-Übung (Nürnberg 1735) voraus, in dem das berühmte Concerto nach Italienischem Gusto (BWV 971) gemeinsam mit der Ouvertüre nach Französischer Art (BWV 831) erscheint. Telemann gibt nicht weniger als fünf mögliche Besetzungen für seine 12 Trios an: Cembalo und Querflöte; Cembalo, Querflöte und Cello; Violine, Querflöte und Cello; Violine, Querflöte und Continuo; Cembalo, Violine, Querflöte und Cello. Die Besetzung mit obligatem Cembalo war in den 1730er Jahren noch ungewöhnlich (obgleich Telemann es schon in vier Trios aus den Essercizi musici eingesetzt hatte), und es ist ferner bemerkenswert, dass einige der Alternativbesetzungen ausschließlich Melodieinstrumente ohne Continuo vorsehen.
In der vorliegenden Einspielung findet die erste Besetzungsoption für das D-Dur-Trio und das A-Dur-Trio Verwendung, während für das D-moll-Trio die zweite Option (mit Gambe statt Cello) gewählt wurde. Ein ähnliches Ensemble ist auch auf Johann Christian Fiedlers Gemälde aus der Mitte des 18. Jahrhunderts zu sehen, das eine ländliche Szene außerhalb Darmstadts darstellt (und das als Titelbild dieser CD verwendet wurde). Inmitten einer Ansammlungen von Männern und Frauen, die sich unterhalten, Karten spielen, trinken, rauchen und sich auf die Jagd vorbereiten, sind auch vier Musiker zu sehen – ein Flötist, ein Geiger, ein Gambist und eine Sängerin – die wohl eine Kantate zum Lob des Landlebens aufführen. Wäre es sogar möglich, dass die Instrumentalisten ein Trio aus Telemanns Six concerts et six suites (in der dritten Besetzungsoption) spielten, wärend die Sängerin eine Pause machte? Es ist gut denkbar, dass es sich bei den Musikern um Mitglieder der Darmstädter Hofkapelle handelte, zumal das landgräfliche Schloss im Hintergrund des Gemäldes zu sehen ist.
Das D-Dur-Trio und das A-Dur-Trio erscheinen als die 'Konzerte' Nummer 1 und 3 des Opus. In den langsamen Sätzen beider Trios übernimmt die Querflöte (mit Begleitung des Continuo-Cembalos) die Rolle des 'Orchesters' in den Ritornelli, während das Cembalo in Obligato-Funktion als Solist die Episoden übernimmt. Telemann hatte eine besondere Schwäche für diese Form, die Scheibe die "Sonate auf Concertenart" nannte, und hier spielt er bewusst mit den Erwartungen der Spieler und Hörer, indem er geschickt die 'normalen' Rollen von Solist und Begleitung in Sonate und Konzert vertauscht. Die klare Differenzierung der Funktionen der Instrumente verschwimmt im D-Dur-Trio allerdings rasch: Die konzertante Satzeröffnung rekurriert im Folgenden nur noch vorübergehend. Im A-Dur-Trio hingegen wird die Gegenüberstellung von Solo und Tutti fast durchgängig aufrecht erhalten, wiewohl auch der sonatentypische Dialog zwischen Querflöte und Cembalo immer wieder zu seinem Recht kommt. Die dritten Sätze beider Trios bestehen jeweils aus einem Kantabile-Mittelteil, der von kurzen Ritornelli eingerahmt ist; diese arienartige Sätze finden Parallelen in einer Reihe von Konzerten Telemann, Bachs und Vivaldis. Eine temperamentvolle Gigue beschließt das D-Dur-Trio, während das zweiteilige Finale des A-Dur-Trios nicht auf Tanzformen Bezug nimmt, stattdessen immer wieder die modischen 'Murky-Bässe' einsetzt.
Das D-moll-Trio schließlich ist die letzte Komposition der Sammlung; gemäß Telemanns Vorliebe für den in Deutschland verbreiteten "vermischten Gout" ist es ebenso sehr italienische Sonate wie französische Suite. In dem vielteiligen Präludium, das das Trio eröffnet, wechseln sich langsame und schnelle Abschnitte ab, was das Ganze wie zwei Sätze in einem wirken lässt. Die folgenden drei Sätze sind alle zweiteilige Sonatensätze, der erste davon in loser Imitation zwischen den beiden Melodieinstrumenten. Den Abschluss bilden zwei Tanzsätze - eine Siciliana und eine Gavotte - die aber nicht als solche betitelt sind
Programme Note: Steven Zohn
Translation: Thomas Schmidt
French translation to follow